Storytelling mal ganz anders: manuelles Storytelling
Einer meiner Kunden entwickelt besondere Industriemaschinen. Das sind Maschinen, die hohe fünf- oder sogar sechsstellige Werte darstellen. Deutsche Ingenieurskunst vom Allerfeinsten. Die Kunden sind natürlich auch technische Experten, aber doch andere, als bei zum Beispiel bei Online-Unternehmen. Die Maschine, um die es geht, ist die einzige und erstaunlichste Paketöffner-Maschine der Welt. Die kann ganz einfach 600 Kartons in der Stunde aufschneiden. Ohne dass der Inhalt beschädigt wird. Und dabei ist es auch noch egal, wie groß die Kartons sind. Dieses technische Wunderwerk kann völlig chaotisch ankommende Kartons erkennen und öffnen. Das ist schon sehr beeindruckend, wenn man das sieht. Ganz anders als Software, als sogenannte ERP Systeme, CRM Software oder mobiles Internet, mit dem ich meistens zu tun habe. Diese Maschine kann man anfassen und mit bloßem Auge sehen, was sie macht. Eine erfreuliche Abwechslung gegenüber den Bits und Bytes, die man ja nie sehen kann.
„… oder schick´s zurück“
Es gibt zum Beispiel Firmen, die mit dem Slogan „oder schick´s zurück“ viele tausend Pakete in verschiedenen Größen annehmen und öffnen müssen. Eine mühsame Arbeit für das Personal. Wenn einmal das Messer beim Aufschneiden abrutscht, dann ist das Paket auch mal schnell eingefärbt. Mal ganz abgesehen vom Schmerz und der Tragödie an sich. Die Maschine BOS, was für „Box Opening System“ steht, juckt das nicht. Sie schneidet ohne abzurutschen den Deckel der Kisten auf, achtet darauf, dass sie nicht zu tief schneidet und den Inhalt beschädigt, und ihr ist es auch egal, wie hoch oder breit die Kiste ist. Also jede Menge überzeugende Argumente. Die Frage war nur, wie man BOS bekannt machen kann. Typischerweise geht man auf eine Industriemesse oder eine Branchenveranstaltung. Das hat mein Kunde auch getan. Aber dort finden sich natürlich jede Menge große Industrieunternehmen, die andere für die Branche interessante Maschinen ausstellen. Und die verfügen über Messebudgets, die darauf ausgelegt sind, die Aufmerksamkeit der Besucher zu erzielen. Also große Budgets. Mit super aufwändig produzierten Videos, mit erstklassiger Bewirtung am Stand, mit Limousinenservice und Showgirls.
Starke Eröffnung, virale Verbreitung, hoher Erinnerungswert
Wir brauchten also eine Story, die a) sofort die Aufmerksamkeit der Besucher weckt und b) neugierig macht, c) vermittelt, was mein Kunde anbietet und d) weiter verbreitet wird. Wenn die Story auch noch einen Erinnerungswert transportieren kann und mit einem „Nicht-Show-Girls-Budget“ zu produzieren wäre, dann hätten wir einen Volltreffer. Die Aufgabenstellung aus StoryMaster Sicht war es also ein virales Produkt (Weiterverbreitung) zu schaffen, das einen hohen Erinnerungswert transportiert (Anker) und das die Aufmerksamkeit der Messebesucher erregt (starke Eröffnung). Der Abschluss eines Geschäftes stand nicht im Pflichtenheft. In diesem ersten Auftritt war es erst einmal nötig den Markt zu informieren und dafür zu sorgen, dass die Informationen weiter transportiert werden. Es ist schon sehr unwahrscheinlich, dass auf einer Messe eine neu vorgestellte Maschine, die weit über 100.000 Euro kostet , einfach mal eben so bestellt wird. Davor ist immer eine genauere Planung und Besichtigung vor Ort nötig. Von daher war die Aufgabe an den StoryMaster eindeutig definiert.
Und das haben wir perfekt gelöst: Mit einem mechanischen Video!
Hä? Mechanisches Video? Ein Oxymoron. Ein Oxymoron (Plural Oxymora; griechisch ὀξύμωρος, aus oxys ‚scharf(sinnig)‘ und moros ‚dumm‘) ist eine rhetorische Figur, bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird. So etwas scheint es zu sein, oder nicht?
DAUMENKINO = manuelles Storytelling!
Ein anderes Wort für dieses Oxymoron? DAUMENKINO. Ganz einfach. Fast schon trivial. Aber genau das hat alles erreicht, was zu erreichen war. Es war mit kleinerem Budget zu produzieren, jeder nahm es in die Hand und ließ es laufen, das heisst, blätterte es durch und steckte es dann ein, um es später anderen zu zeigen. Und nachdem die Besucher es alle aus Neugierde durchgeblättert hatten, haben sie auch gleich den Kern der BOS Maschine gesehen, wie diese nämlich Kartons automatisiert öffnet. Und das in weniger als 10 Sekunden. Wobei die meisten Besucher das mechanische Video durchaus mehrfach laufen ließen und sich dadurch das Wissen, dass es einen solchen automatischen Paketöffner gibt, tief in das Gehirn der Besucher einbrannte.
Und mitgenommen wurde es auch. Und anderen gezeigt auch. Und da soll mal jemand behaupten, dass ein mechanisches Video nicht viral sein kann.
Das Beste nun noch zum Schluss: „Wir sind die mit dem mechanischen Video“, daran erinnert sich die Branche und man kommt schnell in ein Verkaufsgespräch. Das mechanische Video ist ein ausgezeichneter Anker! Es transportiert einen hohen Erinnerungswert, auch wenn es nur manuelles Storytelling ist.
An diesem Praxisbeispiel kann man sehen, dass Storytelling sich nicht auf moderne Technik beschränkt, nicht auf aufwändig produzierte Videos, auf teure Kampagnen oder bombastische Auftritte. Wichtig ist nur, dass die Grundregeln der menschlichen Psychologie berücksichtigt werden. Einfach, weil einfach einfach einfacher ist.