Bergen schnelle Erfolge das größte Potenzial für einen Irrtum?
Eine Lüge ist unter Umständen schnell entdeckt oder man kann prima damit leben – ein Leben lang. Etwas was nicht funktioniert ist auch schnell erkannt und die Evidenzen grenzen die Problematik eindeutig ein. Kein Problem. Etwas was schon immer funktioniert hat und man nicht bedenkt, dass sich die Welt inzwischen weitergedreht hat? Nun, das ist gefährlich. Also aufgepasst, wenn es heißt: „das haben wir schon immer so gemacht“ oder „ das ist seit über 100 Jahren so“. Aber auch hier gibt es Warnzeichen und der vorsichtige Mensch hinterfragt und ist eben das: vorsichtig.
Nein, das größte Potenzial für einen Irrtum sind schnelle Erfolge .
Wenn das Vorhaben gelingt. Das ist die gefährlichste Situation für einen Plan, eine Unternehmung, ein Konzept. Es ist dieser „Proof of Concept“ der mich immer wieder in die Nähe des Abgrundes gerückt hat. Und hier ist die Chronologie:
Es fängt immer mit einer Idee an. Die wird ausgearbeitet und dann beginnt man begeistert mit der Umsetzung. Je nachdem wie ausgefeilt der Plan ist werden Zwischenziele eingebaut, so genannte „Milestones“. Diese werden dann nach und nach erreicht und man baut immer weiter auf. Hier laueren die ersten Gefahren: sind diese Milestones wirklich aussagekräftig? Was genau bedeutet es den Milestone 1 erreicht zu haben? Diese Fragen werden vor lauter Begeisterung über den vermeintlichen Erfolg vergessen.
Und es kann schlimmer kommen: wenn nämlich dieses gesteckte Zwischenziel übertroffen wird.
Wenn man es schneller als vorgesehen erreicht, wenn der Kunde einen höheren als antizipierten Preis akzeptiert. Dann wird in der Euphorie schnell mal übersehen, dass es sich bei diesem „Proof of Concept“ um einen einmaligen Event handelt, ein einmaliges Erfolgserlebnis, bei dem andere Erfolgsfaktoren vorherrschen als die, die als Grundlage der Idee galten. Und das ist genau das Gefährliche. Man nimmt an, dass man die richtige Einschätzung vorgenommen hat und unterstellt, dass der Erfolg auf diesen Vorannahmen basiert. Weit gefehlt!
Man weiß es eben nicht. Es könnten andere Faktoren eine Rolle spielen, vielleicht war es nur Glück, pures Glück gepaart mit Zufall. Natürlich nur, wenn man an den Zufall glaubt, den es nach quantenmechanischer Betrachtung nicht gibt – aber das ist ein anderes Thema, was hier nicht hingehört. Wichtig ist etwas ganz anderes: Aufgrund dieses ersten Anfangserfolges wird man unvorsichtig und investiert mehr Zeit und ggf. mehr Geld in ein Konzept, welches auf wackligem Fundamt steht. Früher oder später bricht das Fundament ein und die Neubauten stürzen ein. Das Geld ist weg und dann weicht die Motivation der Frustration.
Einen typischen Fall kann man beim Poker immer und immer wieder beobachten.
Selbst erfahrene Spieler sind nicht davor gefeit. Man bezahlt eine Hand, eine Kombination von Karten, aus denen mit der nächsten oder übernächsten Karte eine gute Hand werden kann, die sogar gewinnen kann. Man beachte hier das Wort „kann“. Konkret: man verfügt über 2 Karten die zusammen gehören, also zum Beispiel 8 und 9. Diese sind der Anfang einer sogenannten Straße, also 7,8,9,10,Bube – nur, dass eben die 7,10 und der Bube noch fehlen. Dann werden die nächsten 3 Karten aufgedeckt. Es kommt 7,10 und der Bube! Treffer. Nun hat man eine Straße – eine sehr hohe Kombination im Poker – und setzt Geld. Man gewinnt die Hand.
Jetzt spielen die Emotionen des Spielers verrückt und er spielt leichtfertig und gewinnt wieder. Der „Proof of Concept“ ist erbracht. Er kann Poker spielen und zwar noch nicht einmal so schlecht. Irrtum – grottenschlecht, aber diese Tatsache wird vom Betroffenen natürlich keineswegs so akzeptiert. Er fühlt sich nun überlegen, auf der richtigen Fährte und als guter Spieler. Später, wenn er dann auch mal verloren hat, hat er eben Pech gehabt. Das kann mal passieren, das passiert auch den Profis. Ja, auch die Profis haben mal Pech, aber sie beherrschen die Grundlagen und wissen meist, was sie tun und vor allen Dingen warum. Der Anfänger nicht – er hat nur in einem besonderen Rahmen etwas erreicht und diesen Rahmen auf sein Können bezogen und dann generalisiert. Das ist eben das Gefährliche.
Entscheidungen auf dieser Grundlage sind meistens auch sehr, sehr teuer.
So wird dies dem Pokerspieler dann schmerzhaft bewusst, wenn er zum Beispiel in der Weltmeisterschaft spielt und ein Eintrittsgeld von mehreren tausend Dollar gezahlt hat. Die sind dann schneller weg, als auf Basis der bisherigen Erfahrung gedacht. Pech gehabt oder nur „verblendet“?
Noch viel mehr Geld hat ein Unternehmen verloren, als es in einen scheinbar erfolgreichen Zeitungsmacher investierte. Er hatte eine Erfolgsgeschichte nachzuweisen. Ganz klar, das Heft welches er mit Inhalten bestückte war die Nummer Eins am Markt. Die Konkurrenz war der Meinung, dass er der Macher sei und das der Erfolg von ihm abhing. Er kam aus kleinsten Verhältnissen und war vorher angestellter Redakteur einer Fachzeitschrift. Dann wurde er von einem Verleger engagiert, der sich im Streit von seinem Partner getrennt hatte, um eine neue Zeitung inhaltlich zu gestalten. Das machte er genau so, wie bei seinem alten Arbeitgeber.
Dieses Heft hob allerdings ab, obwohl an allen Enden nur Amateure ihr Unwesen trieben.
Auch der Verleger war ein Glücksritter und vor allen Dingen ein Amateur. Diese grundlegenden Schwächen wurden allerdings von dem Investor, einem weiteren Mitbewerber nicht gesehen, sondern nur der Erfolg dieses Titels, den er – so die Täuschung – gemacht hatte. Er hat sich natürlich gegen diese Fehlannahme nicht gewehrt, sondern hat diese Meinung auch selbst vehement vertreten und ist sicher heute noch davon überzeugt. In der Summe waren es für den Verlag fast 1,5 Millionen Euro, die dann am Ende weg waren. Echtes Geld, viel Geld.
Dieser „erfolgreiche“ Mann ist auch nie wieder an der Oberfläche aufgetaucht, weil er tatsächlich den „Erfolg“ nie wiederholen konnte.
Auf eines sei an dieser Stelle allerdings hingewiesen.
Es ist gut, wenn der Betreffende selbst einer gewissen Illusion unterliegt, denn dann programmiert er sich natürlich auf Sieg. Allerdings ist die Intensität der Programmierung gefährlich. Zwischen Überzeugung und Selbstüberschätzung ist nur eine schmale Grenze.
Ganz anders und dennoch irgendwo gleich ist der Fall gelagert, wenn es um ein geschäftliches Projekt handelt, bei dem tatsächlich das erfundene Produkt Kunden gefällt und ein Auftrag entsteht, der sogar Gewinn abwirft. Im Spezifischen ist Folgendes passiert: Gespräche mit einigen großen Marktteilnehmern hatten ergeben, dass ein gewisser Bedarf für eine Softwarelösung bestand. Diese Lösung gab es in Deutschland noch nicht und in den USA nur so ähnlich.
Insbesondere ein führender Kopf bei einem mächtigen Marktteilnehmer wollte diese Lösung und „boxte“ es im Unternehmen durch. Man beauftragte das Softwarehaus dieses Produkt herzustellen und zahlte so gut, dass ein entsprechender Gewinn überblieb. Das Softwarehaus kam nun zu folgendem Schluss: Wenn unsere Idee in einem so großen Rahmen angenommen wird, sogar von einem der Marktführer, dann können wir die auch an andere verkaufen. Also wurde dem Großkunden ein gehöriger Nachlass gewährt, um die Lösung auch an deren Mitbewerber und andere strukturierte Unternehmen desgleichen gerne zu verkaufen. Das gelang auch. Leider nur an einen Kleinen und das mehr oder weniger zu Null, weil man es weiter testen wollte. Auch hier wurde das Produkt angenommen und dann wurde sehr viel in den Vertrieb investiert, weil der „Proof of Concept“ war nunmehr erbracht. Und es ging auch hier schief.
Man kann nun spekulieren, warum es nicht möglich war weitere Kunden zu gewinnen. Wahrscheinlich ist es nicht möglich alle Parameter zu beurteilen, weil die meisten eher unbekannt sind. Was man aber bei genauer Analyse sehr wohl feststellen kann ist, dass auch in diesem Geschäft die Basis fehlte.
Die potenziellen Kunden arbeiten nach völlig anderen Maßstäben und Werten als der Rest der professionellen Welt. Man hat also versucht mit professionellen Methoden zu verkaufen und zu liefern und „zufällig“ hat man eben den einen erwischt, der auch nach diesen Vorgaben handelt.
Dieser Kunde ist jedoch die Ausnahme in diesem Industriebereich!
Das war der Irrtum. Verschleiert durch den Erfolg.
Deshalb mein Rat: Seid vorsichtig, wenn der Erfolg Euch recht gibt! Schnelle Erfolge sind oft ein Indikator, dass Ihr die richtigen Probleme noch gar nicht kennt und auch nicht darauf vorbereitet seit.