Hallo liebe Leser. Heute möchte ich Sie einmal wie ein Faktenverkäufer mit Fakten verführen. Denn ist es nicht das, was alle präsentieren? Fast jeder Verkäufer weiss wie viel schneller und effizienter seine Maschine ist, und weil anstelle 32 Gigabyte, also 32 GB, nun 64 GB drin stecken, sollten Sie diese kaufen, denn pro GB sind das 250 Fotos in HDR Auflösung und sogar 2045 Fotos in 640×480 mit 300 DPI mehr als das Vorgängermodell zu bieten hat und ja, auch mehr als die Modelle der Konkurrenz. Kokett fügt er noch hinzu, dass man ja heute Marktbegleiter sagen muss, nicht Konkurrenz. Ja wer will denn da nicht zuschlagen.
Ich erlebe das immer und immer wieder. Fast jeder, der mir irgendwas verkaufen will, kommt mit solchen Fakten um die Ecke. Warum soll mich die Anzahl der Bilder interessieren, die ich speichern kann? Habe ich etwa eine Reihenbildkamera und besteht mein Leben daraus, zu fotografieren, was das Zeug hält? Was genau ist denn HDR und was kann ich mir davon kaufen? Ich denke, es geht den meisten Menschen so, dass diese Fakten einfach nicht aussagekräftig sind, dass Fakten uns nicht wirklich zum Kauf motivieren oder uns glücklich machen. Was motiviert uns denn dann? Was macht uns glücklich?
Es sind nicht die vielen Bilder, die auf unserer 64 GB Karte lagern und Staub ansammeln, die irgendwo in digitalen Datenarchiven, auf der Festplatte oder online, als digitale Schatten ihr Dasein fristen. Es sind die Erinnerungen, die mit diesen Bildern verknüpft sind, die Erinnerungen, die wir gerne teilen, die wir mit anderen erlebt haben und mit anderen wieder erleben oder mit denen wir uns einfach beim Betrachten glücklich fühlen. Und da könnte HDR eine Rolle spielen, denn die Qualität der Bilder ist besser. Aber interessiert es mich, ob das HDR oder DDR oder MDR heisst? Nein, mich interessiert, dass meine Erinnerungen sicher aufbewahrt werden und dass die Bilder gestochen scharf sind und dadurch meine Erinnerungen, mein Leben, in allen Details lebendig festgehalten werden. „Verliere keine Erinnerung, denn Dein Leben ist zu schön“. Das ist doch eine viel bessere Motivation als „Jetzt mit 64 GB“, oder nicht?
Kopfkino
Wenn ich diese „Faktenverkäufer“ erlebe, und das mit schöner Regelmäßigkeit, dann schalte ich oft auf Autopilot und nicke während ich zuhöre, damit er Verkäufer denkt, ich bin an seinen Fakten interessiert. Ich stelle mir dann im Kopfkino folgende Szene vor:
„Oh du zartes Wesen.“ Der Jüngling kniet vor der Jungfrau. „Erhöre mein Flehen und nimm mein Geschenk an“. Sie ziert sich und dreht sich ein bisschen verschämt weg. Sie ist jedoch nicht gänzlich abgeneigt und interessiert sich doch für das Geschenk. Das ist deutlich zu erkennen. Jetzt kommt es auf ihn an: “ 418 kJ (100 kcal), 1,2 Gramm Eiweiß, 10,2 Gramm Kohlenhydrate und nur 6,0 Gramm Fett, für Dich du liebliches Wesen, die du mir den Kopf verdreht hast“.
Okay – jetzt ändert sich ihr Gesichtsausdruck. Auch das kann man deutlich erkennen. Der Verlegenheit weicht ein Ausdruck der Verwunderung, der Irritation. Sie starrt ihn an. Was soll denn das? Was will der denn vor mir?
Jetzt kommt ein harter Schnitt, und die junge Frau wird wach und schreckt hoch. Ein Alptraum. Sie ist erleichtert, erlöst und schaltet das Fernsehgerät ein. Gerade läuft Werbung. „Oh du zartes Wesen, ich überbringe dir die längste Praline der Welt als Zeichen meiner Verehrung“, sagt der Jüngling, der vor der lieblichen Gestalt am See kniet.
Ich lächele dann immer und der Faktenverkäufer freut sich, dass ich seine Fakten mag. Er denkt dann oft, dass ich wirklich 6,0 Gramm Fett kaufen würde.